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Franzens Grab

Jedes Mal wenn Gerd Butz an Franzens Grab kommt legt er einige Steine darauf ab. Meist sind es Kieselsteine, die er aus dem Urlaub mitgebracht hat.

Seit rund 20 Jahren kümmert sich der Emmershäuser Künstler um die Gedenkstätte im Wald bei Emmershausen. Denn ob hier wirklich Franz, der Sohn des Schmiedes Stephan begraben liegt, sagt die Erzählung nicht. Und die lautet wie folgt: „Vor langer Zeit lebte in Emmershausen ein Hammerschmied mit Namen Stephan.

Er arbeitete auf der Audenschmiede, während seine Frau in Emmerhausen den Haushalt führte. Sie hatten zwei Söhne. Der ältere interessierte sich bald für den Beruf des Schmieds und ging dem Vater bei der Arbeit zur Hand. Der jüngere jedoch, Franz, war ein Nichtnutz. Von Jugend an konnte er lügen, betrügen und sogar stehlen.

Nach seiner Konfirmation sollte er -wie es damals üblich war- einen Beruf wählen und in die Lehre gehen. Um ihn besser beaufsichtigen zu können und wohl auch um das Lehrgeld zu sparen, nahm der Vater ihn mit zur Audenschmiede.

Die Arbeit dort -und vor allem mit dem Vater als gestrengem Lehrmeister und Aufpasser- war nicht leicht und behagte Franz nicht allzu sehr. Ab und zu setzte es auch Schläge. Um sich zu entschädigen stahl Franz gelegentlich geschmiedetes Eisen, um es auf eigene Rechnung zu verkaufen.

Doch dies fiel dem Hammerbesitzer natürlich auf und Franz wurde als der Übeltäter festgestellt. Weil der Vater schon so lange und redlich bei dem Hammer gearbeitet hatte, kam Franz mit einem Verweis des Besitzers und einer Tracht Prügel des Vaters davon. Er versprach sich zu bessern, was er allerdings nicht einhielt. Beim zweiten Mal drohte der Hammerbesitzer den Vater zu entlassen, da er ihn als mitverantwortlich ansah. Und doch behielt Stephan seinen Sohn bei sich auf der Arbeit, bis dieser ein drittes Mal beim Diebstahl entdeckt wurde.

Den folgenden Sonntagabend erwartete Stephan seinen Sohn still in seinem Lehnstuhl sitzend, er aß nicht und sprach nicht. Erst nach Mitternacht kam Franz betrunken nach Hause. Der Vater befahl Franz und dem älteren Sohn ihm zu folgen, nahm die Axt unter den Arm und führte sie tief in den Wald.

An einer lichten Stelle hielt er an und „eröffnete ihm ihn furchtbarer Ruhe, dass hier die Stelle seines Grabes sei“. Franz erkannte nun den Sinn der Wanderung und bat verzweifelt um Gnade. Doch der Vater befahl ihm, zu beten und seine Seele Gott zu empfehlen. Doch Franz konnte nicht beten, verfluchte seinen Vater und versuchte ihm die Axt zu entreißen. In diesem Moment schlug der Vater zu und richtete ihn. Stephan und der ältere Sohn hoben ein Grab aus und wölbten einen leichten Grabhügel über den Toten.

Daraufhin verbreitete sich das Gerücht Franz sei nach Holland gegangen und habe auf einem Kriegschiff angeheuert. Doch das Grab im Walde wurde gefunden. Ein Gerichtsmann ging mit einigen Männern hin, um es zu öffnen, ließ es aber nur halb aufgraben und erklärte später, es sei leer gewesen.“

So stand es im „Usinger Land“, Heimatbeilage zum Usinger Anzeiger 1925ff, Wagner-Druck, Usingen, und wurde von Rudi H. und Martha Kaethner nacherzählt und in „Die Geschichte von dreizehn Taunusdörfern“, Geschichtsverein Weilrod e.V. 1987, abgedruckt. Gerd Butz hat am Grab ebenfalls die Erzählung wetterfest verpackt hinterlegt.

Dort gibt er als Autor den Lehrer Ludwig Praetorius um 1800 an. Nach Kaethners Recherchen kam Ludwig Praetorius 1829 aus Blessenbach und heiratete in Emmershausen Maria Margaretha Bangert. Er war der erste Lehrer, der dort in der neu erbauten Schule unterrichtete. Aus dem Jahr 1746 ist bei Kaethners auch eine Liste von Emmershäuser Einwohnern und deren Besitzverhältnissen abgedruckt.

Unter den damaligen Einwohnern findet sich auch ein Hammerschmied Stephan Erbe mit zwei Söhnen. Ob es derjenige war, der seinen Sohn erschlug? Wie in der Fassung der Erzählung von Gerd Butz berichtet wird, habe Stephan auf dem Sterbebett noch ein Geständnis abgelegt. Bernd Müller, ehemaliger Ortsvorsteher von Emmershausen berichtet aus seiner Grundschulzeit, dass die Klasse gelegentlich zu Franzens Grab gewandert sei.

Die Geschichte habe ihn als Kind immer sehr beeindruckt. Müller wie auch Willi Dietrich, einer der ältesten Einwohner Emmerhausens, berichten dass in der Nachkriegszeit und bis Gerd Butz die Pflege übernahm das Grab sichtbar, aber ungepflegt war. Nur die Einfassung aus Stein und die kleine Steinplatte mit dem eingemeißelten Kreuz seien damals schon vorhanden gewesen.

Gerd Butz hat ein Holzkreuz anfertigen lassen und das Dächlein selbst verschiefert. Noch heute heißt der Weg der von Emmerhausen hierherauf führt „Graber Weg“. Wer das Grab besuchen möchte, findet es auf der Höhe Scheid oberhalb des Wochenendgebietes bei Emmershausen. Vom Hauptweg zeigt ein kleines Schild in Richtung der Grabstelle.